Dienstag, 28. Oktober 2008

Koalitionsvertrag zwischen CSU und FDP - Wo ist die "liberale Handschrift"?



Am 26. Oktober sprach sich die FDP auf einem Sonderparteitag mit überwältigender Mehrheit für die Annahme des Koalitionsvertrages mit der CSU aus.
FDP Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach in ihrer Rede vor den rund 400 Delegierten vollmundig von einer "neuen Ära bayrischer Politik".
Klar, das beste Wahlergebnis aller Zeiten für die FDP in Bayern bietet eine solide
Basis für starkes Vokabular.

Im Landtagswahlkampf versuchte sich die FDP als "Deutlichster Kontrast zu Schwarz" zu profilieren und konnte mit einem ehrgeizigen Programm punkten.
Verfolgt man jedoch in den letzten Tagen die Medien, kommen Zweifel auf. Berechtigt?
Wieviel FPD steckt wirklich in diesem Vertrag der die politische Marschrichtung für die nächsten Jahre vorgibt?

Einen Integrationsbeauftragten für Bayern durchzusetzen sowie die bis jetzt in Bayern nicht gegebene Möglichkeit für Schwule, auch vor Standesämtern die Ehe zu schließen, waren bei den Koalitionsverhandlungen mit die ersten Forderungen seitens SLS gegenüber der CSU.

Nicht gerade die Themen mit denen man im Wahlkampf geworben hat. Umso befremdlicher erscheint es dass diese Punkte noch vor der verlängerten Grundschulzeit, Änderung des Versammlungsrechts und der Online-Durchsuchung eingebracht wurden. Aber sehen wir uns diese Punkte einmal genauer an:

Ob Bayern wirklich einen Integrationsbeauftragter benötigt kann man durchaus differenziert betrachten. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf dass diese Stelle auf Druck von aussen hin geschaffen wurde um verschiedenen Anspruchsgruppen gerecht zu werden. Man könnte auch von Aktionismus sprechen, denn die Schaffung der neuen Stelle alleine macht noch keine bessere Politik. Aber es sieht natürlich so aus als liege einem dieses Thema genz besonders am Herzen. Halten wir fest: Für die Integration wird etwas getan. Puh, nochmal Glück gehabt. Da können wir ja jetzt alle ruhig schlafen.

Leider wurde ich aus diesem Schlaf recht unsanft geweckt als ich im Bayrischen Rundfunk ein Interview mit dem designierten Integrationbeauftragten, FDP Politiker Georg Barfuß, hörte:

"Wo die Scharia kompatibel ist, kann man sie anwenden."

Diesen Satz sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ist das wirklich der richtige Mann für diesen Job? Es kommt aber noch besser:

"Dann will ich eben nicht haben, dass man sagt, wir dürfen ja auch keine Kirchen bauen oder sonstigen Unfug, sondern bei uns darf man halt Kirchen, Moscheen und Synagogen bauen. (…) In Sendling muss auch die Moschee gebaut werden. Wir brauchen so viele Moscheen, wie die Muslime wollen. Wissen Sie, ich brauche in der Türkei keine Kirchen, weils keine Christen dort gibt. Wir machen das ja nicht zum Selbstzweck."

Soso in der Türkei leben also keine Christen? Stimmt, die etwa 120.000 türkischen Christen stellen ja nur knapp 1% der türkischen Gesamtbevölkerung. Da kann man auch gleich großzügig abrunden.
Eventuell sollte jemand Herrn Barfuß auch einmal erklären weshalb nur noch so wenige Christen in der Türkei leben. Ich nenne hier nur einge Schlagworte: Völkermord an den Armeniern, Pogrom von Istanbul 1955...
Bis heute sind Christliche Kirchen nicht rechtlich anerkannt, dürfen keine Bankkonten führen, keine Immobilien besitzen und ihre Priester nicht ausbilden.

Vielsagend auch sein Statement in einem Interview mit der taz:

"Was in der Scharia steht, ist mir egal"

Tut mir leid Herr Barfuß aber auf solche Integrationsbeauftragte können wir verzichten. Mit solcher Blindheit fördert man Extremismus und verhindert jede Integration.

Kommen wir zur Homo-Ehe. Auf das Thema möchte ich hier nicht umfassen eingehen aber es wundert mich schon dass dieses Themenfeld während des gesamten Wahlkampfes in Bayern quasi nicht präsent war. Weder auf Plakaten, noch auf Flyern oder Wahlkampfveranstaltungen wurde die Homo-Ehe mit einem Wort erwähnt.
Und nach der Wahl gehört dieser Punkt anscheinend ganz nach oben auf die Tagesordnung.
Für mich ganz klar ein Wahlbetrug. Entweder hatte man Angst dieses Thema könnte Stimmen kosten und hat es bewusst ausgeklammert, oder aber es handelt sich um eine persönliche Vorliebe seitens SLS.
In Zeiten zockender Landesbanken interessieren die Wähler aber Problemlösungsfähigkeiten auf anderen Feldern.

Und genau da sieht es Mau aus. Wirtschaftspolitisch war der CSU kaum ein Vorwurf zu machen, das Nichtraucherschutzgesetz wäre auch ohne FDP gekippt und auch bei der Bildung bleibt bis auf wenige Modellversuche alles beim Alten.
Einzig das geplante Versammlungsgesetz wird "versammlungsfreundlicher" gestaltet. Details sind hier aber noch nicht genannt worden.

Insgesamt eine eher schwachte Vorstellung die die FDP momentan bietet.

Freitag, 3. Oktober 2008

Waffenrecht - Was wir von Großbritannien lernen können

Fast täglich flimmern Horrormeldungen wie diese über unseren heimischen Fernsehbildschirm.

"In Buxtehude erschoss gestern Nacht ein 36 jähriger Mann nach einem Ehestreit seine Frau und anschließend sich selbst"

Schnell wird dann fraktionsübergreifend der Ruf nach einem schärferen Waffenrecht laut. Denn, so der gemeinsame Tenor, hätte der Mann keine Waffe gehabt dann hätte er seine Frau und sich auch nicht erschiessen können.

Eine weitere Meldung:

"Blutbad in Rüsselsheimer Eisdiele - Drei Menschen sind in der Rüsselsheimer Innenstadt erschossen worden, ein viertes Opfer des brutalen Überfalls ringt mit dem Tod. Die vielen Augenzeugen sind geschockt"

Auch bei solchen Meldungen wird regelmäßig fast gebetsmühlenartig die Frage gestellt woher die Täter die Waffen bekommen konnten. Doch sind diese Vorfälle vergleichbar? Kann man diese schlimmen Dinge wirklich verhindern indem man das Waffenrecht verschärft? Wagen wir einen Blick ins benachbarte Ausland, die uns in dieser Frage schon etwas vorraus sind.

"Großbritannien - ist jetzt Kriminal-Hauptstadt des Westens"

so zumindest sieht es Sophie Goodchild, Home Affairs Correspondent, London.

Sie könnte Recht haben, denn das UNO Interregional Crime&Justice Research Institute legt offen, dass die Einwohner in England und Wales mehr Verbrechen pro Kopf erleben als alle anderen Einwohner der 17 Länder die in dem Berich analysiert wurden. Unter anderem die USA, Japan, Frankreich und Spanien.

Die Forscher der UNO-Studie fanden heraus, dass nahezu 55 Verbrechen pro 100 Einwohner in England und Wales passieren. Im Vergleich dazu beträgt der Durchschnitt der anderen Industrieländer lediglich 35 pro 100.

England und Wales halten ebenfalls den Rekord was die "sehr schweren" Verbrechen anbetrifft, wobei 18 solche auf 100 Einwohner gezählt wurden. Australien liegt mit 16 pro 100 auf dem zweiten Rang. Bei den «Kontakt-Verbrechen» wie Raub, Sexueller Überfall und gewalttätiger Überfall, waren England und Wales mit 3,6% im 2. Rang der Länder. Zum Vergleich: Die USA liegt bei 1,9%.

Und das obwohl doch sonst immer die USA den Miesepeter als gewalttätiges Land zugeschoben bekommen. Wussten Sie, dass die Chancen für eine Person beraubt zu werden, in London 6mal grösser sind als in New York City? Wussten Sie, dass die Rate für Angriffe, Raub und Einbruch in England sehr viel höher sind als in den USA? Wussten Sie, dass in England Selbstverteidigung einer Person oder für Eigentum als eine anti-soziale Tat betrachtet wird und dass Jemand, der einen Angreifer verletzt oder tötet riskiert, strenger bestraft zu werden als der Angreifer?

Wenn ich Ihnen jetzt sage dass in England seit 1997 ein Totalverbot von Faustfeuerwaffen gilt, dann stellen Sie sich bitte einmal selbst die Frage wie diese Fakten zusammenpassen. Seit dem Totalverbot ist die Waffenkriminalität übrigens jedes Jahr deutlich im zweistelligen Prozentbereich gestiegen.

Ich sehe die Sache wie folgt: Die steigende Kriminalität ist eine direkte Folge der Revision des Strafrechts im Jahre 1967, bei der die Selbstverteidigung kriminalisiert wurde einerseits und der immer strengeren Waffengesetze bis zum Totalverbot andererseits. Die Regierung schuf eine unglückliche, passive Bürgerschaft und übernahm selber die unmögliche Aufgabe, diese zu beschützen. Die Niederlage dieser Politik ist offensichtlich!

Die britische Regierung verbietet ihren Bürgerinnen und Bürgern sogar das Tragen jeglicher Art von Gegenständen, die zur Selbstverteidigung dienen könnten. Sogar Stricknadeln und Spazierstöcke wurden als "Angriffswaffen" taxiert! 1999 wurde der Bauer Tony Martin, der mit seiner Schrotflinte zwei Berufs-Einbrecher nachts in seinem Hause stellte (als sie zum siebten Male bei ihm einbrachen!) verurteilt: Lebenslänglich, weil er den einen erschoss und 10 Jahre, weil er den anderen verletzte und schliesslich noch 12 Monate wegen illegalem Waffenbesitz. Der verletzte Einbrecher ist mittlerweile wieder auf freiem Fuss...

Was können wir daraus lernen?

Eines macht die Situation in England deutlich: Wenn Waffen illegal sind, haben nur die illegalen Waffen. Dem Bankräuber oder Einbrecher ist es nämlich egal ob er bei seiner Straftat zusätzlich noch gegen das Waffenrecht verstößt. Genauso wie es ihm egal ist ob er auf dem Weg zur Bank bei Rot über die Ampel fährt.

Der Bürger im Allgemeinen ist letzen Endes der Leidtragende solcher Politik. Wer sich darauf verlässt dass der Staat sein Gewaltmonopol auch wirklich zuverlässig ausübt dem lege ich folgendes aus Hessen, dem Land des schwarzen Sheriffs Roland Koch nahe:

Seit 1999 ist die Zahl der Polizisten in Hessen drastisch verringert worden: von 14 564 auf 13 378.

Versuchen Sie doch mal im ländlichen Raum nachts eine Streife anzufordern, sie werden ihr blaues Wunder erleben. In den Städten können Sie sich schonmal daran gewöhnen dass sie bei der Wahl der 110 in einer Warteschleife hängen.

Des weiteren ist es nicht hinnehmbar dass Jäger und Sportschützen regelmäßig kriminalisiert werden. Dies ist leider gängige Praxis und zeugt davon dass man sich mit den wirklichen Ursachen der Kriminalität entweder nicht befassen will oder es nicht kann weil man sie nicht kennt.

Ich persönlich wünsche mir für die Zukunft eine sachliche und tiefgründige Diskussion des Problems. Der Ruf nach immer strengeren Gesetzen ist jedenfalls keine Lösung.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

In Österreich geht die deutsche Welt unter!



Die Nationalratswahl im Nachbarland ist geschlagen und die Österreicher können nur froh sein, dass eine Stunde nach den ersten Hochrechnungen aus Wien auch schon die ersten Hochrechnungen aus München eintrafen: Auf den Gräbern der CSU-Granden zu tanzen hat die deutsche Journallie dann doch mehr begeistern können, als sich über unsere "falsch wählenden" Nachbarn zu ereifern.

Für Seite 2 hat es dann aber doch gereicht. Und für viel viel Betroffenheit. Den Vogel schoss sicher die SPD-eigene Frankfurter Rundschau ab, sie entblödete sich nicht, unter dem Titel "'Der Ausländer' ersetzt 'den Juden'" das Wahlergebnis zu kommentieren. Auch sonst war man sich weitgehend einig. Tenor: Der dumme Österreicher ist wiedermal auf die dummen Rechten reingefallen und ist im Wahlkampf dumpfen, radikalen, rassistischen, neonazistischen (...) Parolen erlegen. Ein Glück - so kann man zwischen den Zeilen lesen - sind wir Deutschen da anders. Anscheinend ist deutscher Chauvinismus manchmal auch auf der linken Seite des politischen Spektrums zuhause. Zumindest wenn er sich gegen den südlichen Nachbarn richtet.

Doch schauen wir mal ein bisschen unter die Oberfläche des Österreichischen Wahlergebnisses:

Die Vorgeschichte

Haben die Österreicher aus Protest BZÖ und FPÖ gewählt? Ja und nein. Während wir Deutschen im Rahmen unserer Nachkriegsgeschichte erst sieben Jahre mit großen Koalitionen geschlagen wurden, ist es in Österreich eher der Normalzustand als die Ausnahme. Jahrzehntelang lag schwarz-rot wie ein lähmender Schleier über dem Land. Jedes Pöstchen bis hinab zur Putzfrau (oder dem Putzmann) wurde gleichmäßig zwischen rot uns schwarz aufgeteilt und niemand musste im beschaulichen Alpenland mit Veränderung rechnen.

Bis in die Achtziger: Die FPÖ legte ihr altes Image (Naziauffangpartei) ab und gab sich ein neues, liberaleres.

Die SPÖ dankte dies mit einer Regierungsbeteiligung, die allerdings bei der bürgerlichen Wählerschaft auf wenig Gegenliebe stieß und so erreichte die FPÖ ein All-Time-Low von fünf Prozent bei den Wahlen. - Die Grundlage für den Aufstieg Jörg Haiders zum neuen Parteichef 1986.

Er gab der Partei ein rechtes Profil und wurde schnell zum enfant terrible der österreichischen Politik. Nicht zur Freude der SPÖ. Die Koalition war zuende, die FPÖ wieder Opposition und Österreich für weitere 14 Jahre mit einer großen Koalition geschlagen. Dem Erfolg Haiders tat dies keinen Abbruch: Schon bei der ersten Nationalratswahl unter seiner Führung gelang der FPÖ eine Verdoppelung der Mandate. Auch die Abspaltung des linksliberalen LiF konnte daran nichts ändern. Schließlich lag man 1999 bei 26,9% und damit erstmals knapp vor den Konservativen und - das wird heuer gerne unterschlagen, ungefähr da, wo BZÖ und FPÖ heute wieder sind.

Deren umtriebiger Chef Schüssel machte aus der Niederlage einen Erfolg und koalierte mit den Freiheitlichen und wurde so zum ersten konservativen Kanzler Österreichs seit den sechziger Jahren.

Der Aufschrei in Europa war groß, die Nachbarn beschränkten den diplomatischen Kontakt auf ein Minimum, bei Gipfeltreffen wurde der Kanzler geschnitten und eine Expertenkommission überwachte die Arbeit der Regierung. Haider gab formell den Parteivorsitz auf und ging nicht in die Bundesregierung. Er blieb Landeshauptmann in Kärnten aber auch weiterhin starker Mann in der Partei.

Objektiv betrachtet war die Regierungsarbeit ein Fortschritt. Zahlreiche überfällige Reformen wurden auf den Weg gebracht und Österreich zog erstmals in puntco Wirtschaftskraft am großen Nachbarn im Norden vorbei. Der Rückfall in finstere Vorzeiten blieb aus: Ein strengeres Ausländerrecht war der einzige wesentliche Akzent, den die FPÖ in ihrem klassischen Themenfeld setzte. Sogar eine Entschädigungsregelung mit NS-Zwangsarbeitern brachte die schwarzblaue Regierung auf den Weg.

Doch soviel Realpolitik war für die protesterfahrenen und regierungsunerfahrenen Blauen zuviel: Minister gaben sich die Klinke in die Hand und als schließlich eine von der FPÖ versprochene Steuersenkung aufgrund einer Flutkatastrophe verschoben werden sollte, zeigten sich die Risse zwischen Realpolitikern und Protestlern: Auf der legendären Knittelfelder Parteiversammlung kam es zum Bruch: Die blaue Regierungsmannschaft trat zurück, Kanzler Schüssel rief Neuwahlen aus.

Und so kam es wie es kommen musste: Die Wähler straften das blaue Chaos und die FPÖ fiel auf 10%, überwiegend zugunsten des konservativen Regierungspartners. Nach langwierigen Verhandlungen wurde die Koalition fortgesetzt. Jetzt mit geschwächten Freiheitlichen, die sich in Personal- und Sachfragen bescheiden mussten. Wohl auch deshalb setzte sich der Abwärtstrend fort: Nurnoch sechs Prozent und einen Sitz konnten die Blauen bei den Europawahlen 2004 erreichen.

Die fortgesetzten Spannungen zwischen der gemäßigten Parteiführung, Regierungsmannschaft und Klub (Fraktion) einerseits und der eher radikalen Basis auf der anderen Seite führten schließlich zum Bruch: Haider, die Regierungsmitglieder, fast alle Klubmitglieder und der Kärntner Landesverband bildeten das BZÖ. Aus der schwarzblauen wurde die schwarzorange Koalition, die Legislaturperiode wurde regulär 2006 beendet.

Währenddessen gelang es dem Wiener Heinz Christian Strache, einem einstigen Ziehkind Haiders, die FPÖ wieder zu konsolidieren und bei einigen Landtagswahlen Erfolge zu erzielen, während das BZÖ außerhalb Kärntens keinen Erfolg verbuchen konnten.

Bei den Nationalratswahlen 2004 gelang dann dem BZÖ nur knapp der Wiedereinzug ins Parlament, die FPÖ erzielte wieder 11%, aber an eine alte konservativ-freiheitliche Koalition war nicht zu denken: Zu groß waren die Wunden, die die Spaltung der beiden Rechtsparteien zurückgelassen hatte. Die Österreicher hatten wieder ihre alte, ungeliebte große Koalition, mit einem konservativen Juniorpartner, der die Wahl unerwartet verloren hatte.

Ausgehend von diesem "Wählerirrtum" war die ÖVP kaum willens, sich mit der SPÖ zu einigen und die zwei Regierungsjahre verkamen zu einem einzigen, nicht enden wollenden Hickhack. Als die SPÖ schließlich von ihrem bisherigen europafreundlichen Kurs abwich und vor der Kronenzeitung einknickte, die offen gegen den Lissabon-Vertrag agitierte, zerbrach die Koalition, auch weil die ÖVP sich gute Wahlchancen gegen den drögen sozialdemokratischen Kanzler Gusenbauer ausrechnete.

Soweit die lange Vorgeschichte des vergangenen Sonntags und ein Teil der Gründe, die den im Wahlergebnis manifestierten Zorn der Österreicher verursachten.

Der Wahlkampf

Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass die Österreicher sich nach Alternativen umsahen:

Das BZÖ, noch geführt von Haider-Intimus Westenthaler und in den Wahlumfragen beständig und bedrohlich nahe an der entscheidenden 4%-Hürde, stellte sich neu auf. Als der Partei- und Fraktionschef zu allem Überfluss auch noch eine Verurteilung wegen Falschaussage einstecken musste, übernahm Haider wieder das Ruder.

Der lief zu alter Hochform auf und erkannte schnell, wo der Schwerpunkt des Wahlkampfes liegen würde: Die von steigenden Sprit- und Lebensmittelpreisen gebeutelten Österreicher sehnten sich nach Erleichterungen. Haider gelang es, sich als kümmernder Landesvater aus Kärnten zu profilieren, der in dieser Angelegenheit einige Erfolge vorweisen konnte.

Die alten Themen wurden dagegen nicht herausgekehrt: Zwar schickte der Landeshauptmann in der Frühphase noch straffällige Asylbewerber auf Busreisen durch die Alpenrepublik, was nicht nur aus juristischer Sicht fragwürdig war. Auch hatte man im Vorjahr ein Bürgerbegehren gegen den Lissabon-Vertrag initiiert, aber beides spielte dann im Wahlkampf keine Rolle mehr. Höchstens dann, wenn die politischen Gegner punkten wollten.

Obwohl er zugestand, sein Nationalratsmandat nur im unwahrscheinlichen Falle einer Kanzlerschaft anzunehmen, sorgte die Rückkehr des alten politischen Gottseibeiuns für einen ordentlichen Ruck im Österreichischen Parteiengefüge.

Seiner Ausstrahlung war es wohl auch zu verdanken, dass es ihm gelang, einige, einst verfeindete FPÖler ins Boot zu hohlen, die inzwischen mit Strache gebrochen hatten.

Es gelang ihm, sich als Macher zu profilieren, der das Bundesland Kärnten aus seiner Österreichischen Schlusslichtposition lösen konnte und erfolgreiche Lösungskonzepte für ganz Österreich bieten konnte. Koalitionen schloss er mit niemandem aus, da alles besser sei, als die Fortsetzung von Rotschwarz.

Die FPÖ, unangefochten vom Wiener Heinz-Christian Strache angeführt, stand gegenüber den einstigen Brüdern in orange zwar deutlich besser in den Umfragen, aber eine gewisse Nervosität war nach der Rückkehr des einstigen Parteichefs auf die Bundesbühne nicht zu verkennen. Nicht ohne Grund: Der neue Parteichef hatte den alten in nahezu allen Bereichen kopiert, bis hin zur stets etwas zu markanten Solarienbräune.

Als dann auch noch ein alter Haider-Wahlslogan ("Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist.") auf den Wahlplakaten Straches erschien, war ihm der Spott sicher und die Medien hatten ein neues Lieblingsthema: Der Bruderkrieg zwischen blau und orange.

Die Blauen hatten zwar den Vorteil, außerhalb Kärntens auf die weitaus schlagkräftigere Parteiorganisation zugreifen zu können, schnell wurden aber die Schwächen des Spitzenkandidaten klar. Beim TV-Duell zwischen Haider und seinem Ziehkind wirkte letzterer, intellektuell schon immer unterlegen, überspannt, wie immer etwas schmierig und peinlich bemüht, sich abzugrenzen, während sein Kontrahent sich als erfahrener elder statesman gab. Spätestens als er Haider vor laufenden Kameras das Du entzog und zum Abschluss ein Modell-Rückgrat überreichte, war Fremdschämen angesagt.

So war nichts zu gewinnen, weshalb die lagerinternen Angriffe mit fortschreitendem Wahlkampf zurückgefahren wurden und man sich auf den Gegner konzentrierte, bei dem tatsächlich Stimmen zu holen waren: Schwarz und Rot.

Die blauen Wahlkampfstrategen, die schon manchen Haiderwahlkampf geplant hatten, setzten auf ein Rundum-Populismuspaket und stellten ein Wahlprogramm auf, dass auch der deutschen Linkspartei gut angestanden hätte. Auch hier spielten die klassischen Themen der FPÖ, die 2006 noch mit "Dahaam statt Islam" punktete, kaum eine Rolle.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Jugend gelegt (Das Wahlalter war zuvor auf 16 gesenkt worden.), der mit Abstand jüngste Kandidat nutzte sein Potenzial und tourte durch Österreichs Clubszene, wo er mittlerweise als Stra-Che (in Anlehnung an Guevara) oder HC-Man mit eigenem Rap und Klingelton einen gewissen Kultstatus genießt.

Die Großkoalitionäre SPÖ und ÖVP taten sich da eher schwer.

Den Sozialdemokraten war es gerade noch gelungen, den ungeliebten Kanzler Gusenbauer vor dem Wahlkampf loszuwerden (Für einen Regierungschef trat er bemerkenwert wenig in Erscheinung.) und durch den unverbrauchteren Werner Faymann zu ersetzen.

Obwohl Minister der amtierenden Regierung, gelang es ihnen ein Stück weit, sich v.a. durch Sozialpopulismus und durch EU-Kritik zu stabilisieren. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war wohl der 14-stündige Abstimmungsmarathon in der Woche vor der Wahl, als milliardenschwerde "Wahlzuckerl" von SPÖ mit wechselnden Mehrheiten (Hauptsächlich mit FPÖ, BZÖ und Grünen.) durch den Nationalrat geprügelt wurden.

Bei soviel Großzügigkeit ging die ÖVP unter dem drögen Finanzminister Willi Molterer fast unter: Der setzte auf einen pro-europäischen und finanzpolitisch konservativen Sparkurs, zwei Dinge, die beim europamüden und teuerungsgeplagten Wahlvolk gar nicht ankommen wollten.

Erschwerend kam hinzu, dass der Spitzenkandidat im Gegensatz zu allen seinen Kontrahenten ein führender Vertreter der gescheiterten Koalition war, deren Ende er selbst verkündet hatte. Sein eher biederes Äußeres bis hin zu einer eher einschläfernden Rhetorik taten ein Übriges, um den konservativen Wahlkampf nie richtig in Schwung kommen zu lassen.

Als einzige nennenswerte linke Alternative positionierten sich die Grünen.
Doch die großen Chancen wurden abermals vertan: Statt junger Kräfte, die durchaus vorhanden sind, setzte man erneut auf den 64jährigen Professor Alexander von der Bellen. Der mit seiner lehrerhaften Attitüde und seiner einschläfernden Sprache alle Klischees über seinen Berufsstand zu erfüllen vermag. Ihm war in diesem Wahlkampf auch eine gewisse Bitterkeit anzumerken, als er feststellen musste, dass er mit seinen Themen kaum beim Wähler punkten konnte.
Statt - wie alle anderen Parteien - ihr soziales Herz zu entdecken und ein paar Wahlzuckerln zu verteilen oder zumindest zu fordern, beschränkte man sich auf Luxusthemen wie erneuerbare Energien, die die sprit- und strompreisgeplagten Österreicher kaum interessierten und beschwerte sich über den Wahlkampf der anderen. Die Quittung kam am Wahltag.

Große Chancen wurden zunächst einigen Kleinparteien eingeräumt.

Allen voran gaben die Meinungsforscher dem Liberalen Forum unter Heide Schmidt eine Chance für den Wiedereinzug in den Nationalrat. Dort war die FPÖ-Abspaltung in der vergangenen Wahlperiode nur mit einem Abgeordneten, der über das SPÖ-Ticket eingezogen war, vertreten.

Die Chancen standen zunächst gut: Die Österreicher suchten etwas Neues und das war im Nationalrat nicht zu finden. Auch finanziell war das LiF für seine Größe gut aufgestellt. Einige wohlhabende Unternehmer stützten es und so konnte es die notwendigen Unterstützungsunterschriften sogar mittels bezahlter Kräfte eintreiben.

In Kärnten setzte Schmidt ganz auf die slowenische Minderheit, mit deren organisiertem Teil Landeshauptmann Haider im Dauerstreit über zweisprachige Ortstafeln liegt. Dort durfte der slowenische Funktionär Rudolf Vouk die Landesliste anführen.

Doch mit fortschreitendem Wahlkampf ging das LiF, wie alle Kleinparteien, unter. Hauptgrund war sicher die mangelnde Medienpräsenz: Während die fünf Nationalratsparteien vom ORF umfassende Sendezeiten eingeräumt bekamen, so trat jeder Spitzenkandidat im Duell gegen jeden anderen an (Ein Format, dass für zukünftige deutsche Wahlkämpfe durchaus wünschenswert wäre.) und zusätzlich gab es auch noch eine "Elefantenrunde", musste sich Schmidt mit einem Auftritt zwischen Kleinstparteien wir KPÖ und "Die Christen" begnügen.

Programmatisch fehlte es an Trennschärfe zu den Grünen. Das ging sogar so weit, dass deren Spitzenkandidat van der Bellen öffentlich nach der Wahl bekannte, keine nennenswerten Unterschiede erkennen zu können. Tatsächlich fällt es schwer, das spezifisch liberale auszumachen.

Als dann auch noch der einzige Nationalrat Zach wenige Tage vor der Wahl aufgrund eines Lobbying-Skandals zurücktrat, war das Schicksal des LiF besiegelt.

Ähnlich erging es dem Projekt der Liste Fritz Dinkhauser, dem es bei den Tiroler Landtagswahlen noch gelungen war, abzuräumen. Hier handelte es sich wohl eher um ein regionales Phänomen.

Die Wahl

Mit nahendem Wahltermin zeichneten sich in den Umfragen folgende Trends ab: Die SPÖ konnte wieder an der ÖVP vorbeiziehen, wobei beide verloren. FPÖ und BZÖ wuchsen. Die Grünen blieben stabil und allenfalls das LiF konnte den Einzug in den Nationalrat schaffen.


Am Wahlabend gab es dann auch nur eine wirkliche Überraschung: Der massive Zugewinn des BZÖ von vier auf elf Prozent. Der Rest war abzusehen.

Dafür ist die Wahlanalyse umso interessanter:

Der FPÖ war es gelungen, klassische sozialdemokratische Wählerschichten zu erreichen: Bildungsferne, Ungelernte, etc., außerdem war die bei den Jung- und Erstwählern sehr stark. Eine Regierungsbeteiligung war den Wählern weniger wichtig, hauptsächlich ging es um Protest.

Das BZÖ räumte in den bürgerlichen Milieus ab. Keineswegs ungebildete, sondern eher konservative Wähler und mehrheitlich Frauen, die vom stracheschen Krawallwahlkampf eher abgeschreckt wurden, gaben den Orangen ihre Stimmen. Überdurchschnittlich vertreten sind auch die Erstwähler und natürlich die Stammlande in Kärnten, wobei sich das Bündnis diesmal bundesweit über vier Prozent hielt.

Interessant auch - und dass passt vielen Kommentatoren nicht ins Klischee und wird daher meist unterschlagen: Beide Rechtsparteien konnten nach ersten Erhebungen auch bei den Wählern mit Migrationshintergrund punkten.

Nach der Wahl

Natürlich durften nach der Wahl die zu erwartenden Empörungsrituale nicht ausbleiben. Von Wahlsiegen der Rechtsradikalen, Rechtsextremen, gar Neonazis war die Rede. Die beiden fraglichen Parteien wurden dabei ständig gleichgesetzt. Und die Österreicher kamen insgesamt nicht besonders gut weg.
Auch die österreichische Linke, allen voran die Wahlverlierer trugen ihren Teil zur Aufregung bei, Heide Schmidt war "tief enttäuscht" und sprach von einem "ungeheuren Rechtsruck", der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ließ sich in der Wahlnacht gar zu Verbalinjurien hinreißen.
Weiten Teilen der Österreichischen Bevölkerung, durchaus auch der Intellektuellen, sind bundesdeutsche Empörungsrituale indes fremd. Da wurde nüchtern analysiert:

- Das dritte Lager ist geteilt jetzt wieder da, wo es Ende der Neunziger bereits in einer Partei war.

- Das BZÖ ist in weiten Teilen eine rechtsbürgerliche Partei geworden, wie sie in vielen anderen europäischen Ländern Erfolge feiern.

- Die FPÖ hat ihren Wahlsieg hauptsächlich mit sozialpopulistischen Parolen erringen können, wie sie auch bei der deutschen Partei "Die Linke" geläufig sind.

- Fremdenfeindliche Parolen haben im Wahlkampf keine Rolle gespielt.

- Die europakritische Haltung der beiden Rechtsparteien ist mittlerweile in Europa keineswegs ein Spezifikum der Rechten. Spätestens seit auch die SPÖ das Thema aufgegriffen hat, handelt es sich um kein "Schmuddelthema" mehr.

Was jetzt kommt, ist noch unklar, doch zeichnet sich eine weitere bleierne großkoalitionäre Ära ab. Die ÖVP hat schnell ihren Spitzenkandidaten Molterer abserviert und durch den erklärten Freund von Rot-Schwarz, Josef Pröll, ersetzt. Werner Faymann, der womöglich mit der FPÖ alleine regieren könnte, hat dies ausgeschlossen.

Etwas kurios wirkt der Gedanke, die Grünen mit ins Boot zu holen ("Kenia-Koalition"), obwohl die Mehrheit auch so durchaus komfortabel wäre, um der alten Koalition einen neuen Anstrich zu verpassen.

Die Vorsitzenden der Rechtsparteien, Haider und Strache, haben ausdrücklich keine Koalitionsvariante ausgeschlossen. Alles sei besser als "Weiter so!", ließ man am Wahlabend verkünden. Das stößt allerdings auf wenig Gegenliebe: SPÖ und Grüne haben eine Zusammenarbeit mit beiden ausgeschlossen, nur die ÖVP legte sich nicht fest. Da der neue Parteichef allerdings Rechtswähler auch mal als "Hooligans" bezeichnet, erscheint auch das eher unwahrscheinlich.

Während Haiders Avancen, dessen Mannschaft teilweise auch regierungserfahren ist, durchaus ernstgemeint erscheinen und er sogar die Grünen einlud, sich nicht zu verschließen, darf man an Straches Regierungswilligkeit durchaus bezweifeln. Wohl wissend, dass er seine überzogenen Versprechungen unmöglich erfüllen könnte und mit Wahlniederlagen rechnen müsste, die seinen unangefochtenen Status gefährden könnten, stellt er gleich Forderungen, von denen er weiß, dass sie kein Koalitionspartner erfüllen könnte: So soll - völkerrechtswidrig - über den bereits ratifizierten Lissabon-Vertrag eine Volksabstimmung abgehalten werden und Nichtsstaatsbürger sollen (europarechtswidrig) geringere Sozialleistungen erhalten.

Ein weiterer Grund dürfte Strache abschrecken: Fast alle Koalitionsvarianten gingen nur unter Einbeziehung des BZÖ. Dessen Chef hat aber bewiesen, welche Strahlkraft er immernoch hat und schon redet die Basis von Wiedervereinigung. Es braucht wenig Fantasie, sich auszurechnen, wer in einer neuvereinigten Partei die Oberhand hätte. Nicht ohne Grund beeilte sich Strache, schon am Wahlabend solche Spekulationen auszuschließen.

Quo vadis Austria?

Die Österreicher dürften also wiedereinmal schmerzhaft erfahren müssen, was sie schon seit Jahrzehnten kennen: Egal wie sie wählen, am Ende wird's Rotschwarz. Das aber könnte bedrohlich für die etablierten Parteien werden. Die ÖVP muss nur den Blick zu den südlichen Nachbarn richten, um zu sehen wie es der einst stolzen Democrazia Cristiana erging.

Die alten Zeiten, in denen die Österreicher von der Wiege bis zur Bahre eine Partei wählten, ist vorbei. Die Jungwähler haben sich massiv abgewandt und überwiegend rechts gewählt. Dass dem immer so sein wird, ist indes unwahrscheinlich. Diese Wählerschaft ist sehr volatil und von Wahl zu Wahl neu zu überzeugen.

Naturgemäß wird dieses Wählersegment immer größer und so braucht man keineswegs davon ausgehen, dass die große Koalition ewig eine große bleibt. Die Erosion ist unverkennbar. Und wenn sich die Performance der beiden einstigen Großparteien nicht drastisch bessert, könnten sie es schon nach der nächsten Wahl nicht mehr auf eine gemeinsame Mehrheit bringen.

Schnelle Neuwahlen sind allerdings nicht zu erwarten, denn alle Parteien müssen erstmal die Schuldenlast aus dem gewesenen Wahlkampf abtragen.

Ob Straches Strategie, auf Fundamentalopposition zu setzen, damit ihm die Wahlsiege weiterhin in den Schoß fallen, aufgeht, ist aber ebenfalls zweifelhaft. Sein Glück ist es, dass sich bisher keine linke Protestpartei etablieren konnte. Das muss allerdings nicht ewig so bleiben. Auch ist es zweifelhaft, ob es seine Wähler dauerhaft zufrieden stellt, eine Oppositionspartei ohne Regierungsambitionen zu stützen. Das BZÖ hat sich hier als realpolitische und regierungswillige Alternative profilieren können, spannend bleibt, ob es ihm nun gelingt, über Kärnten hinaus Fuß zu fassen.

Fazit

In Österreich ist die Welt nicht untergegangen. Auch wird kein Viertes Reich entstehen. Die Prozesse, die dort sichtbar wurden, sind auch in anderen Ländern zu beobachten.

Auch die deutschen Volksparteien sollten den Blick nach Süden wagen: Deutlich erkennbar ist eine Tendenz weg von Großparteien, hin zu kleineren. Geradezu als Brandbeschleuniger wirkt hier die Große Koalition. Bisher wandert die enttäuschte Klientel in Deutschland fast ausschließlich nach links. Aber auch das muss nicht immer so bleiben.

Vor dem Hintergrund einer wachsenden Sehnsucht der Jugend nach traditionellen Werten wie Heimat, Familie, Nation erwächst hier auch ein Potenzial rechts der Union. Der wird es aber angesichts des Merkelschen Mittekurses bis hin zur schwarzgrünen Koalition in Hamburg kaum noch gelingen, in diese Richtung zu integrieren.

Dass sich hier noch nichts etablieren konnte, liegt weniger an großen Unterschieden zu Österreich, die es nicht gibt, sondern allenfalls an gewissen Tabus in Deutschland. Die gab es aber beim südlichen Nachbarn auch einmal, dann kam Herr H. aus Kärnten...

Es bleibt also ganz ohne Wertung festzustellen, dass Österreich in manchen Entwicklungen schon etwas weiter ist, als wir es sind. Der Blick in den Süden könnte also ein Blick in die Zukunft sein und bleibt deshalb spannend...

Sonntag, 21. September 2008

Kölner Antidemokratiekongress


Erst ging es gegen Pro Köln,
ich habe nichts gesagt, denn ich gehöre ja nicht dazu.
Dann ging es gegen die CDU,
ich habe nichts gesagt, denn ich gehöre ja nicht dazu.
Dann ging es gegen die Katholiken, 
ich habe nichts gesagt, denn ich gehöre ja nicht dazu.
Dann ging es gegen mich
und keiner war mehr da, der etwas sagen konnte...

Zugegeben, an das Original von Martin Niemöller reicht es nicht heran. Und zugegeben, es fällt mir auch schwer, Sympathien für Pro Köln und ihre Gäste (u.a. war Kriegsverbrecher Le Pen angesagt) zu empfinden. Aber darum ging es heute nicht.

Die Vereinigung "Pro Köln", demokratisch in den Rat der Stadt Köln gewählt, hatte zum "Anti-Islamisierungskongress" in die Domstadt geladen. Und da ging es auch schon los: Das Kölner Establishment, allen voran OB Schramma, in Treue fest mit dem linken Rand der Stadt und den beherrschenden Printmedien verbunden, machte daraus kurzerhand den Anti-Islamkongress.

Statt sich kritisch mit dem Kongress und seinen Teilnehmern (Angesagt waren u.a. Vertreter der FPÖ, Vlaams Belang und der Front National, aber auch parteilose Islamkritiker aus ganz Europa),  wurde zunächst versucht, den Kongress mit rechtlichen Mitteln zu verhindern,. Als sich dieses fragwürdige Unterfangen als aussichtslos herausstellte, wurde eine wahre Hetzkampagne losgetreten: 

Die Kölner Tageszeitungen Express und Stadtanzeiger forderten wochenlang die Bevölkerung auf, sich an den Gegenaktionen zum Kongress zu beteiligen. Erinnert wurde dabei - ein sehr gewagter Vergleich - an die Aktion "Arsch huh, Zäng ussenander" während der 1992 100.000 Menschen auf dem Kölner Chlodwigplatz zusammenkamen, die gegen den Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen demonstrierten. Auch durften sich alle mehr oder weniger Prominenten der Stadt politisch korrekt zum Thema äußern. Natürlich auch brach auch FC-Trainer Christoph Daum eine Lanze für die Toleranz, der Mann, der sich jüngst zu der Äußerung verstieg, dass Homosexuelle aufgrund der Gefahr pädophiler Übergriffe (!) im Fußball nichts verloren haben.

An Kölner Schulen wurden vorsorglich schoneinmal alle Schüler auf Linie gebracht, es gab Plakatkampagnen und natürlich auch Unterrichtsschwerpunkte zum Thema. Politische Neutralität des Lehrpersonals? In diesem Falle wohl nicht so wichtig, kämpft man doch für die "gerechte Sache".

Mit zunehmender Stimmung gab es dann auch gleich schonmal die ersten Opfer: Ende August wurde ein Ratsherr von pro Köln krankenhausreif geschlagen, wenige Tage später wurde erneut ein Infostand der Vereinigung angegriffen. Auch auf das Fraktionsbüro wurde ein Farbbeutelanschlag verübt.

Der Kölner OB Schramma (CDU), der Stadtrat, der Landtag von NRW, der Ministerpräsident und zahlreiche weiter Offizielle riefen dann auch, auch über ihre steuerfinanzierten Internetpräsenzen zu Protesten auf. Immerhin zu friedlichen. Dass das nicht alles sein würde, war allerdings zu erwarten. Seit Monaten schon hatte die linksextreme Szene mobilisiert. Die Liste der Unterstützer der Aktion "Hingesetzt" liest sich da wie ein Who is Who.

Problematisch gestaltete sich für Pro Köln natürlich auch die Organisation des ganzen Events in einer gleichgeschalteten Stadt. Räume der Stadt wurden nicht zur Verfügung gestellt, zur Erinnerung: Pro Köln stellt eine Ratsfraktion. Auch die Kölner Wirte wurden unter dem Titel "Kein Kölsch für Nazis" in die Einheitsfront gereiht. Hinter vorgehaltener Hand war nicht jeder mit dieser Vereinnahmung glücklich, aber wem seine Existenz lieb war, der scherte lieber nicht aus.

Zuletzt fühlte sich sogar die erste Kämpferin für Demokratie und Freiheit auf der Welt bemüßigt, zu intervenieren: Die iranische Regierung intervenierte bei der französichen EU-Präsidentschaft. Dort wurde geprüft, was man gegen den Kongress tun kann. Glücklicherweise ohne Ergebnis.

Als es am Freitag dann soweit war, wich Pro Köln auf einen Ausflugsdampfer aus. Dort sollte eine Pressekonferenz stattfinden. Anschließend war eine Bustour durch die Stadt geplant. Letztere wurde von der Polizei aus Sicherheitsgründen gleich verboten und Auch die Pressekonferenz war kaum möglich: Blockierer machten den Journalisten ein durchkommen unmöglich und die Konferenzteilnehmer wurden mit Steinen und Farbbeuteln beworfen.

Das Schiff konnte nach Steinwürfen mangels "Seetüchtigkeit" dann auch nicht mehr ablegen und lag stundenlang im Niehler Hafen vor Anker. Auch war eine Weiterfahrt schon deshalb nicht mehr möglich, weil die Rheinbrücken mit steinebewehrten Demonstranten besetzt waren. Einen sicheren Landgang der Passagiere konnte oder wollte die Polizei ebenfalls nicht gewährleisten und hielt sie deshalb auf dem Schiff fest. Darunter auch Abgeordnete des österreichischen Nationalrats und des Europäischen Parlaments. Der Nationalratsabgeordnete Vilimiski drohte gar mit diplomatischen Schritten und verurteilte das Vorgehen der Polizei scharf:

Seit mehr als 4 Stunden werden österreichische Parlamentarier gegen ihren Willen auf einem Schiff am Rhein festgehalten. Die Kölner Polizei ist nicht in der Lage, die angespannte Situation in Köln zu entschärfen und kann offenbar die Sicherheit der rund 50 Passagiere nicht garantieren. Eine solche dilettantische und willkürliche Vorgehensweise sei schier unglaublich und werde sowohl auf nationaler- aber auch auf EU-Ebene zu massiven Protesten führen. Die Bundesrepublik Deutschland ist offenbar auf dem Weg zur Bananenrepublik.
Völlig unverschämt sei auch die Reaktion der Kölner Polizeispitze, die keine Entspannung der Situation gewährleisten kann und offenbar aus politischer Motivation die Menschen hier an Bord, darunter auch viele unabhängige Journalisten, nicht an Land lassen möchte.
Tag eins des Kongresses war also gescheitert. 

Für den Samstag war auf dem Kölner Heumarkt eine Kundgebung geplant, die den Kern der Veranstaltung ausmachen sollte. Viele Teilnehmer reisten erst hierzu an. 

Doch die meisten kamen über den Flughafen Köln-Bonn nicht hinaus: Dort wurden sie von der Polizei aufgehalten. Eine Weiterfahrt war nicht möglich, zunächst weil man die "Sicherheit wieder nicht gewährleisten konnte", aber auch weil Unbekannte eine Signalanlage der Bahn in Brand setzten und andere eine Sitzblockade auf den Bahngleisen abhielten.

Wer diese Hindernisse überwinden konnte, kam trotzdem kaum auf den Heumarkt, der von Gegendemonstranten umringt war. Die Polizei weigerte sich, den Teilnahmewilligen einen Zugang zum Platz zu verschaffen, da dies nur mit unverhältnismäßigen Mitteln möglich sei, so ein Sprecher. Letztlich wurde die Veranstaltung wegen "unkalkulierbarer Risiken" verboten. Sogar ein von Pro Köln gemietetes Flugzeug mit Werbebanner wurde von einem Polizeihubschrauber zur Landung gezwungen, da es die Gegendemonstranten provoziere.

Nun könnte man als Demokrat meinen, die Polizei habe sich verschätzt und man muss das bedauern, denn schließlich wurden gewaltlose Kongressteilnehmern von gewaltbereiten Gegendemonstranten an der Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit gehindert.

Doch die Ereignisse werden gefeiert: Als "Sieg der Demokratie"! Die massiven Ausschreitungen und Rechtsbrüche werden - wenn überhaupt - bestenfalls in einem Nebensatz bedauert.

Noch bizarrer wird es, wenn in diesem Zusammenhang von "Mut" gesprochen wird. Klar, es gehört schon viel Mut dazu, sich mehreren zehntausend Menschen anzuschließen, die gegen wenige hundert demonstrieren. 

Auch die Medien begeistern sich für den Phyrrussieg von Demokratie/Pluralismus/Toleranz/Mut. Nur wenige beleuchten die Ereignisse kritisch. Immerhin bringt es die FAZ ganz treffend auf den Punkt:

Kölner Toleranz

Intoleranz kommt groß in Mode. Der Kölner Oberbürgermeister rühmt sich seiner Intoleranz gegen eine kleine Gruppe in seiner Stadt, die sich vor Muslimen fürchtet. Es mögen nicht die umgänglichsten Zeitgenossen sein, die da einen “Anti-Islamisierungskongress” veranstalten, doch unangenehm sind auch Politiker, die sich an Demonstrationen gegen Bürger beteiligen. Früher war es das Vorrecht der Bürger, gegen die Politik auf die Straße zu gehen. Neu interpretiert wird seit einiger Zeit auch der Begriff Zivilcourage. “Mut” zeigt, wer mit der ganz großen Mehrheit gegen (gewaltlose) Minderheiten vorgeht. Es müssen allerdings inländische Minderheiten sein. So wie umgekehrt mit stark ausländischem Akzent sprechen muss, wer im Rundfunk mit Kritik an muslimischen Verbänden zu Wort kommen will. Für die Kölner, die jetzt zu Zehntausenden “für Toleranz” demonstrieren, ist die Existenz von ein paar hundert Leuten rechtsaußen in ihrer Stadt schier unerträglich. Deshalb werden dort auch Anschläge auf Mitglieder von “Pro Köln” stillschweigend toleriert. Diese Mode ist wirklich zum Fürchten.

Das bleibt auch mir von diesem Tag: Furcht. Um die Freiheit, um die Demokratie in unserem Lande. Eines ist sicher: Die, die heute am lautesten behauptet haben, sie würden sie verteidigen, haben sie am meisten mit Füßen getreten.

Dazu fällt mir auch noch ein passendes Schlussziat ein:

Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus.
Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.
Ignazio Silone